SARS-CoV-2: EU-Behörden empfehlen zweite Boosterimpfung für alle ab 60
Deutsches Ärzteblatt vom Montag, 11.7.2022
Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) halten angesichts einer neuen Coronawelle in Europa eine zweite Boosterimpfungen gegen SARS-CoV-2 für Menschen ab 60 Jahre sowie für Vorerkrankte für sinnvoll.
Diese könnten mindestens vier Monate nach der vorherigen Impfung verabreicht werden, teilten sie heute mit. Dabei sollte der Schwerpunkt auf Personen liegen, deren letzte Auffrischung mehr als sechs Monate zurückliegt. Bereits im April hatten die beiden Behörden solche Auffrischdosen für alle ab 80 Jahren empfohlen.
Die derzeit zugelassenen Impfstoffe seien nach wie vor hochwirksam bei der Reduzierung von Klinikeinweisungen, schweren Erkrankungen und Todesfällen, hieß es weiter in der Stellungnahme. Angesichts der aktuellen epidemiologischen Situation und der Prognosen sei es jedoch wichtig, die derzeit verfügbaren Impfstoffe jetzt einzusetzen und nicht zu warten, bis auf die Omikron-Variante angepasste Vakzine verfügbar seien.
Wenn die angepassten Impfstoffe eine erhöhte Neutralisierung gegen die Omikron-Varianten zeigten, was auf einen möglichen höheren Schutz vor Infektion und Übertragung hindeute, sollte für die Einführung im Herbst/Winter auch die Impfung von Beschäftigten im Gesundheitswesen und in Langzeitpflegeeinrichtungen in Betracht gezogen werden.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach auf Twitter von einer Empfehlung, die „sinnvoll und überfällig“ sei. Auf angepasste Impfstoffe zu warten, dauere zu lange und sei zu riskant.
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides rief die Regierungen der Mitgliedstaaten heute dazu auf, sofort für alle ab 60 Jahren und für alle anderen schutzbedürftigen Personen eine zweite Boosterimpfung anzubieten.
„Wir haben keine Zeit zu verlieren“, betonte sie. An die Bürger appellierte sie, die Impfangebote wahrzunehmen. „Angesichts der Tatsache, dass die Fallzahlen und die Krankenhauseinweisungen mit dem Beginn der Sommerperiode wieder zunehmen, fordere ich jeden auf, sich so schnell wie möglich impfen und boostern zu lassen“, sagte Kyriakides.
ECDC-Direktorin Andrea Ammon warnte, dass man derzeit steigende Coronafallzahlen sehe. Auch bei den Einweisungen in Krankenhäuser und der Belegung von Intensivstationen gehe der Trend in mehreren Ländern nach oben. Hauptgrund für diese Entwicklungen sei die Ausbreitung der Omikron-Untervariante BA.5.
„Dies signalisiert den Beginn einer neuen, weit verbreiteten COVID-19-Welle in der Europäischen Union“, erklärte die deutsche Medizinerin. Menschen ab 60 und medizinisch anfällige Bevölkerungsgruppen seien diejenigen mit dem höchsten Risiko schwerwiegender Erkrankungen. Diesen Menschen nun einen zweiten Booster zu geben, werde eine erhebliche Zahl an Krankenhauseinweisungen und Todesfällen verhindern.
Für Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) einen zweiten Booster bislang nur Menschen ab 70 Jahren sowie einigen anderen Gruppen, darunter Menschen mit Immundefizienz Pflegeheimbewohnern und Personal medizinischer Einrichtungen. Nach aktuellen Angaben haben bislang 7,3 Prozent der Bevölkerung in Deutschland eine zweite Auffrischimpfung bekommen.
Der Vorsitzende der STIKO, Thomas Mertens, teilte auf Anfrage mit, man habe sich „auch vor der EMA/ECDC Verlautbarung“ schon im Entscheidungsprozess zu einer möglichen Erweiterung der bestehenden Empfehlung für den zweiten Booster befunden. Die STIKO werde sich „relativ bald“ dazu äußern, erklärte Mertens.

/picture alliance, NurPhoto, Jakub Porzycki